Sonntag, 31. August 2025

ABSCHIED IST KEIN NORDSEE-SPAZIERGANG.

 

 



Die ersten Tränen fließen schon im Auto...noch bevor die Fähre überhaupt in Sichtweite ist. 
Die Großfamilie steht auf dem vollen Parkplatz, die Autos schon in der zugewiesenen Spur, Riesen-Koffer, dicke Taschen und diverse Jacken verstaut - wie immer viel zu viel dabei, 
typisch Amrum eben: 
Man weiß schließlich nie, ob man Sonnenbrand oder Frostbeulen bekommt.
Noch ein allerletztes Foto...Großes Kind, kleine Enkelin, dicke Möwe und fette weiße Wolken 
im Hintergrund.
Meine Enkelmaus Charlotte winkt schon beim ersten Tschüss und bevor sie auf die Fähre 
muss - vorsorglich, falls die Oma schwächelt.
Ich halte mich wacker, sage die klassischen Abschiedsfloskeln wie "Meldet Euch, wenn Ihr angekommen seid!", die eigentlich übersetzt heißen: "Ruft sofort an, damit ich wieder 
entspannt atmen kann."

Was hatten wir für schöne Tage!
Normalerweise sehe ich meine Enkelin nur ein- bis zweimal im Monat. Wir wohnen ja nicht 
direkt um die Ecke, das Leben ist voll - und so habe ich mich besonders gefreut, dass wir 
dieses Jahr 14 Tage auf der gleichen Insel die Ferien verbringen und ich sie nicht nur für ein paar Stunden, sondern jeden Tag sehen kann.
Morgens, wenn sie mit zerzausten Haaren, ausgeschlafen, immer gut gelaunt und strahlend
an meine Tür klopft, mit der geballten kleinen Faust, damit die Oma es auch hört.
Mittags am Strand, wo ich zerbrochene Muscheln, feinsten Nordsee-Sand und halbe Krabben mit ganz anderen Augen sehe.
Und abends, wenn sie mit roten Wangen, glänzenden Augen und Riesenhunger in ihrem Kinderstühlchen vor ihrem Räuberteller sitzt und wir alle zusammen sagen "müssen":
"Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb, guten Appetit!"
Bei ihrem glucksendem Lachen platzt mir fast das Herz.
Und ich, die sonst immer alles plane und ordne, lasse mich von ihr führen. 
Zum kleinen Priel, zu den kreischenden Möwen, zu einem einfachen Stock oder runden 
Stein, der für sie ein ganz besonderer Schatz ist. 
Ich sehe plötzlich wieder, wie großartig doch kleine Dinge sind.

Es ist, als hätte ich in diesem Urlaub ein Geschenk bekommen, nicht nur Zeit, sondern Nähe. Jeden Tag, ohne Filter. Mit all den Chaosmomenten, dem Lachen, den Sandkrümeln überall.
Und jetzt beim Abschied sehne ich mich schon  wieder nach ihren ersten gebrabbelten Worten am Morgen, nach den kleinen Händen voller Sand, nach dem Gefühl, dass "Oma" mehr ist als ein Name. 16 Monate...und sie schafft es, mein Herz komplett zu übernehmen.

 


 

Und dann ist er da, der endgültige Moment...die Fähre hupt, das Verladen beginnt, wir 
drücken uns fest und die Tränen brechen ungehemmt aus mir heraus. 
Ich kann nichts dagegen tun. 
Die Augen schwimmen, ich halte die Sonnenbrille eisern fest im Gesicht und murmele: 
"Der Wind!". Klar, der Wind!
Auch mein Kind mit seinen 30 Jahren kann sich nicht mehr halten, der Uropa hat eine 
wacklige Stimme, nur Charlotte winkt fröhlich.
Die Fähre legt ab, zieht langsam auf die Nordsee hinaus.
Mein Herz bricht...

Dass der Abschied von Amrum immer so schwer fällt, war auch bei mir als Kind schon so.
Abschied von einer Insel, die für mich Heimat und Herzpflaster in einem ist.
Und Abschied von meinem Papa, der ja Monate auf der Insel lebt. Früher standen meine 
Eltern gemeinsam am Anleger, mit wehendem Betttuch bewaffnet, und wir winkten auch 
noch, als lediglich ein kleines Pünktchen am Horizont zu sehen war.

Und während ich dann am Nachmittag noch einmal über den wunderschönen breiten Sandstrand gehe, denke ich: Ja, der Abschied von Amrum ist immer traurig.
Aber genau deshalb kommt man ja so gerne wieder zurück, auf diese kleine Insel in 
der Nordsee, denn die Freude beim Ankommen ist mit nichts zu bezahlen.
Hoffentlich noch ganz lange!

Tschüss Nordsee-Sommer...






 

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