Im Sommer war alles noch glasklar.
Ich wusste, was ich wollte (nämlich Sonne, Eis und möglichst meine Ruhe).
Die Gedanken waren sortiert, die Stimmung leicht, die To-do-Liste überschaubar,
das Leben hatte eine gewisse Leichtigkeit.
Und dann kommt er, der Herbst - und mit ihm dieser Wind, der nicht nur die Blätter durcheinander wirbelt, sondern auch meine innere Ordnung, er stürmt einmal quer
durch Herz und Hirn.
Kaum färbt und fällt das erste Blatt, gerät mein Inneres in eine Art emotionalen
Laubbläser-Modus.
Soll ich mein Leben umkrempeln?
Soll ich die Couch umstellen?
Oder brauche ich nur neue Kissenbezüge?!
Und wieso riecht plötzlich jede Straßenlaterne nach Melancholie?
Es ist, als hätte der Herbst einen Vertrag mit meinem Unterbewusstsein geschlossen:
"Ich bringe die Blätter durcheinander - Du übernimmst den Rest!"
Während also draußen Windstärke 3 die Äste biegt, räumt drinnen mein Kopf nicht nur
die Möbel um. Erinnerungen werden abgestaubt, alte Sehnsüchte aus dem Keller geräumt,
und irgendwo liegt noch dieser eine Gedanke herum, den ich seit Mai gekonnt
ignoriert habe: "Mach doch endlich das, was Du schon immer machen wolltest!"
Na super. Jetzt mischt sich auch mal wieder meine Moral-Marie ein.
Der Herbst, so scheint es, hat ein Talent dafür, mich aus meiner Komfortzone zu pusten.
Und zwar gründlich. Dabei hatte ich mir doch fest vorgenommem:
Im Herbst wird endlich alles viel strukturierter, ordentlicher, erwachsener. Tja.
Da sitze ich also - mit Kräuter-Tee statt Aperol, dicken Wollsocken statt Flip Flops und
frage mich, wo sie denn geblieben ist, diese Struktur?!
Aber vielleicht ist das ja der Witz und das Schönste am Herbst:
Er erlaubt uns, ein bisschen durcheinander zu sein. Wie die Blätter.
Nur mit mehr Gedanken und wärmeren Socken.
Er zeigt uns, wie schön Loslassen aussehen kann - und wie anstrengend es ist, es selbst
zu tun. Denn ich klammere mich an alte Routinen wie ein Blatt mit Höhenangst. Dabei wäre genau jetzt der Moment, sämtlichen Ballast mal abzuwerfen - gedanklich, emotional, organisatorisch.
Ich schaue aus meinem Fenster, sitze am kleinen Schreibtisch und sehe die Blätter tanzen.
So frei, so selbstverständlich.
Und was mache ich? Ich halte krampfhaft an Sommerplänen, Erwartungen und einer
To-do-Liste fest, die längst vergilbt ist.
Vielleicht sollte ich mir ein Beispiel nehmen. Blätter lassen einfach los, ganz ohne lange Diskussionen.
Denn irgendwann, mitten im dichten Gedankennebel, begreife ich:
Dieses Durcheinander ist kein Fehler - es ist eine Art seelischer Durchlüftung.
Der Herbst bläst den Staub der letzten Monate weg, macht Platz für neue Gedanken,
und was bleibt, das ist das Wesentliche.
Zwischen all dem Wind und Wirrwarr liegt eine gewisse Ruhe. Wenn ich sie lasse.
Ich versuch's mal mit Gemütlichkeit.
Bis mein Tee kalt wird...



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